Schlummernde Schönheiten – von wegen!
Schlummernde Schönheiten“ – von wegen! Um Schönheiten handelt es sich unbenommen. Ja! Aber diese kapverdischen Inseln sind alles andere als schlummernd oder gar verschlafen.
Über Lissabon reisen wir samstags zunächst nach Sal, was aber nur ein Zwischenstopp zu unserer ersten Wanderinsel Sao Nicolau darstellt. Sal bietet lange tolle Strände und der Besuch der Salinen mit Bad in der „Salzlake“ ist schon speziell, aber eigentlich wollen wir wandern, die Inseln erkunden und die Menschen erleben. Zwei Nächte auf Sal finden wir also wahrlich genug und freuen uns, am Dienstag nach Nicolau zu fliegen. Der Flughafen ist beeindruckend niedlich, besonders „the baggage claim“ findet unsere Aufmerksamkeit.
Die Pension Jardim bietet eine familiäre und herzliche Atmosphäre. Besonders die Menschen auf Nicolau begegnen uns offen und herzlich. Pensions-Besitzerin Valentina nimmt jeden Wunsch wahr und bereitet uns einen schönen Aufenthalt. Blaise kümmert sich von Seiten der Agentur darum, dass es und gut geht, dass wir viel sehen und Kontakt zu den Menschen und zur Natur bekommen – und sorgt sich um unser leibliches Wohlergehen. Statt der obligatorischen Brötchen im Lunch-Paket gibt es jeden Tag einen Salat mit köstlichem Dressing. Toy zeigt uns als Wanderführer wundervolle Wege mit begeisternden Aus- aber auch Einblicken.
So führt die erste Wanderung im Anschluss an einen Stadtrundgang vom Hauptort Nicolaus Ribeira Brava nach Terra Quebrada durch landwirtschaftlich genutztes Land zu einer Grogue-Destillerie. „Unsere“ erste Destillerie – aber nicht die letzte. Immer wieder kommen wir auf weiteren Wanderungen an ihnen vorbei. An den nächsten Tagen erkunden wir den schroffen Osten, wo uns der Weg mit Anstiegen und starkem Wind einiges abverlangt. Das BBQ am Strand entschädigt jedoch für alle Strapazen. Bereits einen Tag später geht es rund um den Monte Gordo, was besonders durch den Wechsel von karger Landschaft und diesigem Nebelwald fasziniert. Außerdem zeigt uns Toy den Weg Canto da Faja nach Ribeira Prata. Nach einem kurzen Anstieg geht es hinab Richtung Ribeira Prata. Der Blick nach unten gibt immer wieder neue Ansichten preis: bizarre Basaltwände, terrassierte Hänge, kleine Weiler – in der Ferne sehen wir Santo Antao im Dunst.
An einer Wasserstelle machen wir Rast. Einheimische Frauen waschen mit dem Waschbrett, ein Mann mit einem kleinen Jungen kommt zum Wasserholen mit einem Esel, Kinder schauen uns neugierig an. Wir dürfen fotografieren und die Kapverdianer haben Spaß daran, sich die Bilder gleich auf dem Display der Digitalkameras anzusehen. Von Ribeira Prata führt uns der Transfer noch nach Karibim, wo Wind und Meer bizarre Felsformationen geschaffen haben.
Mit einem kurzen Badestopp in Tarrafal führt die Fahrt noch einmal quer über die Insel zu unserer Pension Jardim in Ribeira Brava, wo wir zum Abschied beim Abendessen noch Live-Musik hören können. Typische kapverdische Rhythmen, die wehmütige Morna und die Coladeira machen das Essen zur Nebensache. Natürlich Lieder von Cesaria Evora – „Sodade“ darf nicht fehlen. „So-dade sodade – Sodade – Dess nha terra Sao Nicolau“ – Sehnsucht nach meiner Insel Sao Nicolau. Für uns jetzt, nach fünf Tagen auf dieser Insel, verständlich. Der Abschied fällt uns schwer – allerdings liegt noch eine Woche mit weiteren Wanderungen auf zwei anderen Inseln vor uns.
Früh am Morgen des 7. Tages fliegen wir von Sao Nicoalu über Sal auf die Hauptinsel Santiago. Poula nimmt uns in Empfang und zeigt uns die Hauptstadt Praia. Besonders beeindruckend ist der Markt, der Mercado Municipal. Obst und Gemüse türmt sich in farbenfroher Pracht. Frauen sitzen, stehen, warten, reden. Man kann kaum erkennen, wo der eine Stand endet und der nächste beginnt. Die Farben, die Fülle, die Menschen – die Menge an Eindrücken überrollt einen. Leider hatte unser Flug Verspätung – und wir dadurch nur wenig Zeit auf dem Markt. Dafür sehen wir aber anderes von Praia: Präsidenten- und Justizpalast, Rathaus, die Kirche Nossa Senhora da Graca, in der für Ostern geputzt und geschmückt wird.
Nach dem kurzen Rundgang fahren wir nach Calabaceira. Mitten im Nichts hält der Bus. Hier ist der Ausgangspunkt der Wanderung? Ein Gehöft im Niemandsland, Jugendliche mit einem Laptop auf einer Bank. Bizarr! Ein paar Schritte durchs Gesträuch und überrascht blickt man in ein fruchtbares Tal. Alles ist grün. Die kurze Wanderung führt vorbei an mehreren Destillerien, riesigen Baobab-Bäumen nach Cidade Velha. Der kleine Ort am Meer ist UNESO-Weltkulturerbe; hier gingen vor 500 Jahren die portugiesischen Seefahrer an Land. Trauriges Zeugnis der unrühmlichen Vergangenheit als Umschlagplatz für den Sklavenhandel ist der Pelourinho aus dem Jahre 1512.
Zwar laden kleine Lokale am Meer zum Einkehren ein, doch es ist spät geworden und wir haben noch eine Fahrt bis Tarrafal vor uns. Es geht einmal quer über die Insel. Zwar bietet die Fahrt herrliche Ausblicke auf die Insel und auch auf Fogo, aber wir sind froh, als wir endlich in Tarrafal an unserer Pension aussteigen. Wir werden für unser Durchhalten mit direktem Blick aufs Meer, einem herrlichen Sandstrand und Meeresrauschen belohnt. Allerdings haben wir nachts wenig vom Meeresrauschen, da die Fischer am Strand feiern. Es ist das Osterwochenende und alle sind in Feierlaune. Glücklicherweise können die Fischer davon überzeugt werden, dass wir nicht jede Nacht den kapverdischen Rhythmus im Bett spüren möchten.
Am Ostersonntag steht die „Königin“ unter den kapverdischen Wanderungen (lt. Rother Wanderführer) auf dem Programm. Im Nationalpark Sierra Malagueta wandern wir nach kurzem Anstieg hinunter ins Tal. Der Wanderführer hat nicht zu viel versprochen. Der Weg ist abwechslungsreich und die Ausblicke beeindruckend. An der Küste entlang geht es zurück nach Tarrafal, wo am Strand die Hölle los ist. Menschen über Menschen. Es ist Ostern. Traditionell wird auf einem abgesteckten Feld am Strand ein Hahn, so in den Sand eingegraben, dass nur noch der Kopf herausschaut. Einem Mann werden die Augen verbunden und er erhält einen Stab, mit dem er dann den Hahn finden muss. Gelingt ihm das, darf er den Hahn behalten. Ganz Tarrafal scheint dabei zu sein.
Am Ostermontag haben wir kein Programm – doch Tarrafal ist Programm genug. Morgens bringen die Fischer einen Fang an Land. Wir verbringen den ganzen Vormittag am Strand und schauen zu, wie der Fisch hin und her sortiert wird. Frauen kommen. Schauen. Warten. Sortieren den Fisch. Waschen den Fisch. Fisch wird verkauft, verschenkt. Das ganze Treiben scheint einem festgelegten Ritual zu folgen. Nach einem Rundgang durch Tarrafal gehen wir schwimmen, liegen am Strand, schauen aufs Meer und beobachten Eisvögel, bevor wir abends zu einer Batuku-Vorführung gehen. Acht junge Frauen trommeln, während eine von ihnen singt. Teile des Gesangs werden vom Chor aufgenommen. Dazu tanzt ein Mädchen. Es hat ein Tuch um die Hüften geschwungen und wiegt sich zunächst langsam, bis es den schnellen Rhythmus der Trommeln aufnimmt und die Hüften in einer für uns Europäerinnen und Europäer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit vibrieren lässt. Natürlich werden wir auch aufgefordert, dies auszuprobieren – und natürlich können wir es nicht halb so schnell und elegant. Anschließend gehen wir noch zum Gitarrenunterricht, der in der Schule stattfindet. Der Gitarrenlehrer freut sich über unser Interesse, erzählt ein wenig über den Unterricht und spielt für uns –„Sodade“. Auch hier darf Cesaria Evora nicht fehlen.
Schon wieder heißt es Abschied nehmen. Unsere Reise geht weiter nach Maio. Der Flug gleicht eher einem Hüpfer, so nah liegt Maio an Santiago. Am Flughafen werden wir von Elisabeth begrüßt. Hier auf Maio haben wir keinen local guide. Unser Hotel wird von einem englischen Pärchen geführt. Wieder wohnen wir direkt am Meer und im Pool hat man das Gefühl, direkt in die Wellen schwimmen zu können. Im Ort essen wir bei Wolfgang aus Franken, ein Stück weiter hat ein Franzose ein Restaurant und neben der deutschen Strandbar liegt eine italienische. Es scheint, dass auf dieser kleinen Insel die Europäer näher beieinander leben.
Am nächsten Tag sehen wir auf einer Inselrundfahrt, dass es hier auch wenige Ausweichmöglichkeiten gibt. Die Insel ist sehr überschaubar, aber angenehm ruhig und hat traumhafte Strände. So sehen wir auf unserer Rundfahrt eine Töpferei, die kapverdische Art der Holzkohle-Herstellung, Sandstrände, Sandstrände, Sandstrände und „Dünen“.
Der Aufenthalt auf Maio steht ganz im Zeichen der Entspannung und Erholung. So geht es am letzten Tag mit einem Segelboot aufs Meer. An den Abenden sitzen wir am Meer und schauen der Sonne beim Untergehen zu, bevor wir selber etwas essen und später – viel später – beim Meeresrauschen einschlafen.
Freitag, Abreisetag. Schon! Den Vormittag verbringen wir noch auf Maio, dann wieder der kleine Hüpfer zurück nach Santiago, exotischer Saft im Café Sofia, schon Zeit fürs Abschiedsessen. Am Flughafen fragen wir uns, wo die Zeit geblieben ist. Kurz darauf sitzen wir im Flieger, die Inseln unter uns werden kleiner und schon jetzt macht sich Sehnsucht breit - Sodade – Dess nha terra…
Vielen Dank für den schönen Reisebericht, Frau Ontrup!
Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren
Keine Blogbeiträge verfügbar.