Auf Darwins Spuren durch die Kapverden
Die Kapverden, seit vielen Jahren im Visier meiner Reiseträume, sind im Februar 2019 endlich Wirklichkeit geworden. Gerade einmal 500 km vom afrikanischen Kontinent entfernt, auf der Höhe von Senegal gelegen, sind die Kapverden eine aus insgesamt fünfzehn Inseln bestehende Gruppe vulkanischen Ursprungs im Atlantik, wovon neun bewohnt sind und jede unterschiedlicher und eindrucksvoller nicht sein könnte. Kolonialisten und Sklavenhändler haben ihre Spuren hinterlassen, aber auch Charles Darwin, einer der größten Naturwissenschaftler unserer Zeit. Darwin erwanderte schon im 19. Jahrhundert die Kapverden und schwärmte: „Es liegt Größe in einer solchen Landschaft und für mich birgt sie das unaussprechliche Vergnügen, auf einer dieser wilden verlassenen Inseln in der Tropensonne zu wandern.“ Und so wollen wir es ihm gleichtun und diese vier der Inseln erwandern.
Der erste Blick aus dem Flugzeug auf die kapverdischen Inseln ist beeindruckend. Wir überfliegen Santo Antão, (eine wettertechnisch zweigeteilte Insel: die eine Seite bedeckt durch dicke Passatwolken, während auf der flachen Südseite absolute Trockenheit herrscht), bevor wir auf der Nachbarinsel São Vicente zum ersten Mal kapverdischen Boden betreten.
Wir starten unsere Wanderreise in Mindelo, der Hauptstadt von São Vicente, eine der „Inseln über dem Wind“ (Ilhas de Barlavento). Im 18. Jahrhundert war Mindelo einer der wichtigsten Häfen im Ostatlantik, denn die Dampfschiffe mussten sich für ihre Überquerung des Atlantiks noch mit Kohle für den langen Weg eindecken. Mehr als 2000 Schiffe legten so jährlich im Hafen von Mindelo an und brachten einen gewissen Wohlstand in die Stadt. Heute gehen in der schönen Bucht von Mindelo vor allem Segel-Jachten vor Anker. Nicht verloren gegangen ist der Flair von damals, der in den Straßen dieser Stadt noch allgegenwärtig ist. Bunte Häuser, ein imposanter Marktplatz, der Trubel am Fischmarkt, herrschaftliche Handelshäuser und eine Miniatur-Version des Torre de Belem in Lissabon (direkt am Hafen gelegen) prägen das Bild dieser Stadt. Zudem ist der Klang der Musiker auf den Straßen nicht zu überhören und heißt Besucher herzlich willkommen. Das Ankommen in der afrikanischen Kultur und Sonne ist damit sanft und so Mancher wagt gleich einmal ein kurzes Bad in türkisem Wasser am Praia da Laginha, dem weißen Stadt-Strand von Mindelo.
Am zweiten Tag unserer Reise begeben wir uns mit der Fähre durch die oftmals stürmische Meerenge des Canal de São Vicente zur Nachbarinsel Santo Antão. Porto Novo ist malerisch und die Vulkanhänge mit den vereinzelten Pseudokratern fallen sanft zum Meer hin ab. Wir laden unser Gepäck auf das Dach des Kleinbusses und Julian Dimitrov, unser umsichtiger Reiseleiter, und unser Local Guide Nani kaufen noch genügend Wasser ein und schon geht es gemächlich auf einer mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Panoramastraße stetig bergauf. Gewaltig, was wir nun auf der Lee-Seite der Insel bestaunen können: Nebelwälder mit Eukalyptusbäumen, Farne, Plantagen mit Bananen, Papayas, Mangos, Bergflanken die mit Terrassen übersät sind. Obst- und Gemüseanbau inmitten eines schroffes Gebirges mit steil eingeschnittenen Kerbtälern, die mehrere hundert Meter tief sind. Diese Kerbtäler sind nichts anderes als stumme Zeugen einer gewaltigen tropischen Verwitterung.
In der Nähe von Ribeira Grande kehren wir im Dorf von Local Guide Nani zum Mittagessen ein und wir essen zum ersten Mal das Nationalgericht der Kapverden, eine Cachupa. Dies ist eine Art Eintopf, bestehend aus gestampftem Mais, Zwiebeln, grünen Bananen, Maniok, Süßkartoffeln, Kürbis, Yams, Tomaten, Kohl und eventuell Speck. Gewürzt wird es mit Lorbeerblättern, Knoblauch und Piment.
Nach dem köstlichen Mahl geht es auf alten Eselspfaden über den Pass in das Seitental Ribeira de Chã das Pedras nach Caibros. Von dort wandern wir dann weiter in das nächstgelegene Tal nach Chã de Igreja, ein Dorf, welches hoch über einer Schlucht liegt. Oft eröffnen sich uns Blicke auf Siedlungen und Terrassen aus der Vogelperspektive, welche dann ein besonderes Spektakel für das Auge bereiten. Die Mahlzeiten nehmen wir bei Familien in der Umgebung ein und gleich bei der ersten Mahlzeit sind wir uns sicher, dass wir in den nächsten zwei Wochen auf den Kapverden kulinarische Köstlichkeiten erleben werden.
Santo Antão hat aber durch die Staulage des Nordost-Passats nicht nur grüne und damit fruchtbare Täler zu bieten, sondern noch einige weitere Highlights der Kapverden. Die nächste Wanderung führt uns hinaus zur Atlantikküste. 16 beeindruckende Kilometer gehen wir entlang der Steilküste der Praia da Riberia Seca. Begleitet werden wir von kunstvoll aufgebauten Trockensteinmauern, die schon viele Jahrhunderte lang Regen, Stürmen und Erdbeben trotzen und dazu eine tosende Brandung mit einer umwerfenden Gischt. Wir bewundern das „schönste Dorf der Kapverden“, Fortainhas, (O-Ton Local Guide Nani) und wandern unzählige Serpentinen bergauf und bergab. Ponta do Sol und die Pension Musica do Mar bescheren uns dann nicht nur das Flair eines hübschen Fischerdorfes, sondern Julian beschert uns auch die ersten Entenfußmuscheln unseres Lebens.
Der vierte Tag auf Santo Antão ist für mich ein Rasttag und ich genieße den Blick auf das Meer und sehe den Fischern bei ihrer Arbeit nach der Rückkehr von ihrem Fang zu. Die Vielzahl an Meerestieren rund um die Kapverden ist überwältigend. Die kühle Kanarenströmung im Sommer trifft auf das warme Wasser des Guinea-Golfs und so sind Kalt- und Warmwasserfische gleichermaßen vertreten. Hier findet man neben Thunfisch, Makrele und Moräne auch z.B. Papageienfische, Sardinen, Seehechte, Husarenfische, rote Trompetenfische, Goldbrasse und allein fünf verschiedene Barscharten, um nur einige zu nennen, die zu köstlichem Speisen zubereitet werden.
Meine Reisefreunde unternehmen währenddessen eine Wanderung auf die Hochebene Chã de Lagoa, die von anhaltender Trockenheit geprägt ist. Die letzte Wanderung auf Santo Antão führt uns am nächsten Tag dann ins Ribeira de Paúl, wo wir auf herrlichen Wegen durch die Terrassen mit üppiger Vegetation und Zuckerrohrplantagen wandern. Hier gibt es Dank der Staulage des Nordost-Passats einen von nur zwei permanent wasserführenden Flüssen der Kapverden.
Das Zuckerrohr wird für die Grogue - Produktion, den lokalen Rum, angepflanzt. Neben dem klassischen Grogue gibt es noch verschiedene Variationen des Nationalgetränks. Der Pontche ist eine Mischung aus Grog und Zuckerrohrmelasse, mit verschiedenen Früchten und Gewürzen verfeinert. Besonders köstlich schmeckt der Stamperod, eine Mischung aus Grog und Pontche.
Zurück in Mindelo, fliegen wir nach Santiago, eine der südlichen „Inseln unter dem Wind“ (Ilhas de Sotavento), mit der Hauptstadt der Kapverden, Praia.
In einem Tal bei Assomada im Inselinneren, bestaunen wir ehrfürchtig den ältesten und größten Baum der Kapverden, einen Kapokbaum. Sein Alter wird auf rund 500 Jahre geschätzt und dabei ist er 40 m hoch in den Himmel gewachsen. Dieser riesige Baum ist einzigartig auf den Kapverden und man vermutet, dass Sklaven ihn mit auf die Insel gebracht haben. Karibikfeeling mit einem wunderschönen Palmenstrand beschert uns der Badeort Tarrafal im Norden von Santiago, wohingegen die Santiago Lounge Bar den besten Sundowner inklusive herrlichem Sonnenuntergang seit Langem bietet. Die Wanderung in der Serra Malagueta ermöglicht uns am nächsten Tag dann weit ins Landesinnere (in die vulkanische Hochebene) von Santiago zu blicken.
Die Feuerinsel Fogo ist unser nächstes Ziel und sie trägt ihren Namen zurecht mit Stolz, denn der knapp 2900 m hohe Vulkan Pico do Fogo (Gipfel des Feuers) thront majestätisch über der Insel. Da wir schon den Morgenflug nach Fogo genommen haben, können wir eine (durchaus anstrengende Wanderung) in der näheren Umgebung von Mosteiros machen, wo wir auch übernachten.
Der nächste Tag gehört dem Aufstieg in die unmittelbare Umgebung des Pico do Fogo, in die Hochebene Chã Das Caldeiras, die von einem 26 km langen und 1000 m hohen Kraterrand, der Bordeira, eingerahmt wird. Diese stammt von einem noch viel älteren und größeren Vulkan, der an der Meeresoberfläche bereits stattliche 5000 m Höhe misst. (ich habe an diesem Tag die leichtere Anreise mit dem Gepäckstransport gewählt, was aber nicht minder eindrucksvoll war!) Wir nächtigen in der Casa Marisa 2.0. Warum 2.0? Ganz einfach: die Casa Marisa 1.0 liegt unter dem Lavastrom des Vulkanausbruchs von 2015 begraben. Die Wärme des Lavastromes, auf dem 2.0 erbaut ist, wird nun in Form einer Fußbodenheizung in allen Häusern der Casa Marisa sinnvoll genutzt.
Der Fogo ist nach trügerischen Ruhephasen in den Jahren 1951, 1995 und zuletzt 2015 ausgebrochen und die junge Lava hat die Chã Das Caldeiras fast zur Gänze in eine völlig vegetationsfreie Mondlandschaft verwandelt. Der letzte Ausbruch hat dabei die Häuser der beiden Ortschaften unter sich begraben, zum Teil schauen noch die Dächer der Häuser hervor. Doch dort, wo die junge Lava nicht hingekommen ist, gedeihen am Rand dieser Lavaströme Mango-, Pfirsich-, Quitte-, Papaya-, Tamarinden- und Granatapfelbäume. Auch der Weinbau wird, ähnlich dem Anbau auf Lanzarote, intensiv betrieben. So werden an den Hängen die niedrigen Weinreben in künstlichen und flachen Mulden gepflanzt, um sie vor dem Wind zu schützen. Bei einer Weinverkostung können wir uns von der hervorragenden Qualität des fruchtigen Weines überzeugen.
Eine weitere Wanderung führt uns durch die Chã das Caldeiras mit ihren unterschiedlichen Lavaformationen und auf die Nordseite des alten Kraterrands, auf die Bordeira mit dem Monte Velha. Unser Gipfeltag auf den Pico do Fogo beginnt schon weit vor dem Sonnenaufgang, immerhin sind 1100 Höhenmeter zu überwinden. Der Weg beginnt sehr gemütlich, wird aber im weiteren Verlauf immer steiler, und im oberen Drittel spürt (und riecht) man die gewaltige Kraft des Vulkans: immerhin stolze 2829 m steht der Pico do Fogo über dem Meer (und 7829 m über dem Meeresboden). Am Rande des Kraters öffnet sich uns dann ein großartiges Panorama über die Caldeira und wir können beim Abstieg direkt in den schwefeligen Schlot von Pico Perqeno, den Ausbruchskrater von 2015, schauen. Den Abend verbringen wir in São Filipe mit einem Stadtspaziergang durch die hübschen Straßen mit den pastellfarbenen im Kolonialstil erbauten Herrenhäusern, den Sobrados.
Zurück auf Santiago führt uns Julian zunächst durch Praia und zeigt uns die Schönheiten der Hauptstadt der Kapverden. In einer großen Markthalle können wir nochmals einheimische Fische (ich bin mir sicher, wir haben in diesen zwei Wochen wirklich (fast) alle probieren dürfen!), verschiedenste Gemüsesorten und die Früchte der Inseln bestaunen. Am Nachmittag beziehen wir in der Nähe von Cidade Velha am Meer (mit eigenem Badestrand!) unser letztes Quartier und ruhen uns am Meer von den Anstrengungen der letzten Tage aus.
Unsere allerletzte Wanderung führt uns durch Ribeira Grande mit üppiger Vegetation und eindrucksvollen, viele Hunderte Jahre alten Baobab-Bäumen (Affenbrotbäume) - den stummen Zeugen von 500 Jahre Sklavenhandel - in die ehemalige Hauptstadt des Archipels, Cidade Velha. Diese wurde von der UNESCO 2009 zum Weltkulturerbe ernannt. Der steinerne Schandpfahl, der Pelourinho, ist ebenso erhalten wie die Fundamente der mächtigen Kathedrale – erbaut von Sklaven, die sie nach Fertigstellung nie betreten durften. Ein Spaziergang durch die Rua de Banan mit ihren einfachen kleinen Steinhäusern, lässt uns dann in die Welt der ersten portugiesischen Siedler im 15. Jahrhundert eintauchen. So mancher unserer Gruppe (und ich besonders) schreitet die letzten Schritte unserer Wanderung voller Wehmut, heißt es doch schon morgen Abschied nehmen - Abschied von diesen wunderschönen, beeindruckenden Inseln mit ihren liebenswerten Einwohnern, ihrer frohen Lebensart und ihrer exzellenten Küche.
An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön unserem Reiseleiter Julian Dimitrov. Er hat uns diese großartigen Landschaften mit ihren sanften Bewohnern mit so viel Umsicht, so viel umfangreichem Wissen und mit seiner Liebe zu den Kapverden ein Stück näher gebracht, als es so manch anderer tun würde. So sind aus diesen 2 Wochen mit Leichtigkeit gefühlte 2 Monate geworden.
Wir bedanken uns bei Frau Zölß für diesen schönen Reisebericht, der bei uns allen für Fernweh gesorgt hat!
Fotos @Sabine Zölß
Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren
Keine Blogbeiträge verfügbar.