Madeira – eine Liebeserklärung
Ein etwas anderer Reisebericht von unserer
Reiseberaterin Anja Seelheim
15 Monate Corona, 15 Monate kein Reisen und nur ein stetiger Wechsel zwischen Homeoffice und ab und an Büro. Oft glichen die Tage wie ein Ei dem anderen. Der 50. Spaziergang an der Ruhr – nichts gegen unser schönes Ruhrgebiet mit seinen grünen Flussufern – war irgendwann auch nicht mehr das Wahre. Dazu ein sich ewig lang hinziehender Winter. Wie so vielen erging es auch mir und ich wollte irgendwann nur noch raus. Neuen Input bekommen, andere Eindrücke erleben.
Mit Absicht haben wir unsere Urlaubsplanung spät in den Mai gelegt, immer von der Hoffnung getragen, dass ein Urlaub innerhalb Deutschlands dann möglich ist. Denn der eigentliche Plan war, eine kleine Rundreise durch meine alte Heimat Thüringen zu unternehmen. Der Urlaub rückte näher – es war mittlerweile Ende April – und ein Ende des Lockdowns schien sich ewig hinzuziehen. Ich wollte auf keinen Fall 14 Tage meines Urlaubs zu Hause verbringen, und so schmiedete ich Plan B und suchte nach Reisezielen, die mit dem Flugzeug nicht so weit entfernt waren und in denen eine problemlose Einreise mit PCR-Test möglich war.
Schnell fiel meine Wahl auf Madeira. Madeira war zu diesem Zeitpunkt zwar noch Risikogebiet, aber mit einer Inzidenz von unter 50 und schien mir damit eine gute Alternative. Im Jahr 2018 schon einmal auf der wunderbaren Insel gewesen, wusste ich im Gegensatz zu meinem Partner, was mich erwartete.
Den ursprünglichen Plan, 11 Tage dort zu verweilen, machte Condor gleich nach der Flugbuchung einen Strich durch die Rechnung. Man reduzierte den Flugplan im Mai auf einmal wöchentlich und so blieben am Ende „nur“ 8 Tage.
Am 27.05.2021 hing ein trüber Himmel mit kühlem Regen über dem Flughafen Düsseldorf. Der Frühling hatte es schwer in diesen Tagen. Nur wenige Taxis hielten sich vor dem Terminal auf. Man hatte den Eindruck, der Airport war in einer Art Winterschlaf und wartete nur darauf, endlich wieder zum Leben zu erwachen. Sämtliche Abflüge des Tages passten auf die ersten beiden Anzeigetafeln. Als Touristikerin war mir bei diesem Anblick etwas wehmütig zumute.
In Zeiten von Corona zu verreisen, bedurfte einiger Vorbereitungen. So hatte ich bereits vorher die App „Madeira Safe“ heruntergeladen, uns dort angemeldet und auch das Testergebnis hochgeladen. Ein umständliches Ausdrucken auf Papier konnte ich so umgehen. Am Check-In wurde nur der QR-Code und das digitale Testergebnis in der App geprüft, alles ganz unkompliziert.
Überpünktlich hob der gut ausgebuchte Flieger gen Süden ab und die Anspannung der letzten Tage wich mehr und mehr der unbändigen Vorfreude auf 8 Tage Meer und angenehme Temperaturen. Es fühlte sich an, als ob man das erste Mal verreist.
Nach nicht einmal vier Stunden erblickten wir unter uns Porto Santo im strahlenden Sonnenschein. Die kleine Schwester der Hauptinsel Madeira mit seinem kilometerlangen Sandstrand lag wie ein Gemälde vor uns im Atlantik. Nach der Landung auf Madeira ging dank der guten Vorarbeit auch die Einreise sehr schnell. Wieder wurde der QR-Code geprüft und wir konnten zügig den Flughafen verlassen. Mein Tipp an dieser Stelle: Alle wichtigen Dokumente (Impfpass oder PCR-Test) bereits vorab über die App übermitteln, dann kann man direkt passieren.
22 Grad, eine laue Brise und das Meer, glatt wie ein Spiegel, im Vordergrund oder wie ich sagen würde – perfektes Urlaubswetter.
Wer zum ersten Mal nach Madeira reist, hat oft keine allzu klaren Vorstellungen, was einen hier erwartet. Manchmal als Insel der Rentner verschrien und oft klischeehaft als Blumeninsel verkauft. Hier gibt es keine Top-Attraktionen und keine bedeutenden Sehenswürdigkeiten. Aber das braucht es auch nicht, denn die Insel selbst ist das Highlight, sie hat keine Superlative nötig und kommt gut ohne aus. Sie begeistert ganz von allein, lädt ein, sich treiben zu lassen, ohne von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu hetzen. Nichtsdestotrotz versucht Madeira mit touristisch vermarkteten Highlights zu locken. Sei es mit einem Skywalk über einer der höchsten Klippen Europas, dem Cabo Girão oder den berühmten Korbschlittenfahrten. Ob es das braucht, sei dahingestellt.
Viel schöner ist es, morgens in einer Pastelería, einer Art Bäckerei, den ersten Galão, einen typisch portugiesischen Milchkaffee, zu trinken, den Menschen zuzuhören, auch wenn man die Sprache nicht spricht und das Leben der Inselbewohner zu spüren. Leichtigkeit macht sich breit.
Wir hatten das Glück, ganz in der Nähe unserer privaten Unterkunft in Ribeira Brava, solch eine „Bäckerei“ zu haben. Wir machten uns jeden Morgen, manchmal schon mit Sonnenaufgang, auf den Weg, um frisches Brot zu besorgen. Am dritten Tag kannte man uns bereits und die obligatorische Empfehlung des jeweiligen Tagesgebäcks wurde zu einem „Running Gag“. Und überhaupt wurden wir immer und überall herzlichst begrüßt und sympathisch empfangen. Man merkte den Madeirern an, dass ihnen die Touristen fehlten. Schnell kam man mit den Menschen ins Gespräch. Alles war sehr unaufgeregt und Corona für eine gewisse Zeit nur noch ein verblassendes Bild im Kopf. Lediglich an den vorbildlichen Maßnahmen nahmen wir wahr, dass etwas anders ist.
Wir planten unsere Tage nicht durch, wollten keine Wanderungen nach festem Programm abarbeiten. Ausspannen mit Blick auf den Atlantik, Fisch essen und Wein trinken – das war der eigentliche Plan. Aber wenn man schon mal da ist, kann und sollte man auch das eine oder andere aktiv erleben. Der hochgepriesene Skywalk am Cabo Girão hat uns nicht vom Hocker gerissen, dafür die Seilbahnfahrt zur Fajã dos Padres umso mehr und der westlichste Punkt Madeiras – Ponta do Pargo mit seinem Leuchtturm. Ebenso die adrette Altstadt von Funchal. In der Markthalle bekommt man frisch gefangene Fische, die man bestenfalls vom Hörensagen kennt. Den Roten Skorpionfisch, der abends mit ein paar selbst gepflückten Kräutern auf dem Grill landete, kann ich nur wärmstens empfehlen.
Wer in die Berge fährt, sollte damit rechnen, mindestens einmal durch Nebel zu fahren. So ist es meistens, selbst wenn die Berge von der Küste aus zunächst wolkenklar scheinen. Der Nebel, der fast ständig durch die Wälder wabert, erzählt von einem anderen Madeira. Rau, kühl und mit dichtem Grün bewachsen, ist es ein vollständiger Kontrast zu den sonnigen Steilküsten mit dem immer präsenten Meer im Süden. Wir tauchten ein in diese Art Urwald, ließen uns ein auf eine Landschaft, die so ganz anders ist. Nachdem wir den Nebelwald mit seinen mannshohen Farnen hinter uns gelassen hatten, erwartete uns auf ca. 1.500 Meter Höhe ein wolkenloser Himmel. Die Bergwelt mit den drei höchsten Gipfeln der Insel, dem Pico Areiro, dem Pico das Torres und dem höchsten Berg, dem Pico Ruivo, begrüßte uns in ihrer ganzen Pracht, und schien uns zum Wandern aufzufordern. Wir nahmen die Einladung dankend an und liefen den bequem ausgebauten aber durchaus steilen Fußweg bis fast hinauf zum Pico Ruivo, ein Wolkenmeer zu unseren Füßen, der wolkenlose Himmel über uns. Das letzte Teilstück heben wir uns für das nächste Mal auf, wenn wir wiederkommen.
Die Abende ließen wir oft in einem der kleinen Lokale am Wasser ausklingen - im Sonnenuntergang, die Füße ins Meer getaucht, mit einem leichten Vinho Verde. Das berühmte Zitat von Goethe „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön!“ kann es nicht besser treffen.
Am Ende haben wir nicht eine Levada erwandert und sind nicht im Korbschlitten gefahren, aber wir haben liebenswerte Menschen getroffen, wie beispielsweise den Taxifahrer, der unter glaubwürdigem Verweis auf seine Berufsehre darauf bestand, unseren platten Reifen zu wechseln. Wir erlebten eine Insel, die entschleunigt, wunderbar nach Meer, Sonne und Blumen riecht und auf der man nie das Gefühl hat, etwas zu verpassen.
Wir haben Madeira mit dem Wunsch verlassen, wiederzukommen, denn wie sagte mein Partner so treffend: „Ich habe diese Insel komplett unterschätzt“.
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