Kapverdischer Tourismus im Wandel
Die Suche nach einer ausgewogenen Entwicklung
Mit einer gewissen Zwiespältigkeit präsentieren sich die Kapverden: Auf den ersten Blick wirken sie spröde und abweisend, doch schon beim nächsten Wimpernschlag entfalten sie ihre farbenfrohe, fruchtbare und prachtvolle Seite. Die Kapverden überzeugen mit ihrer atemberaubenden Natur, ihrer einzigartigen Lebensfreude und der unübertroffenen Gelassenheit ihrer Bewohner.
Vor knapp zwei Jahrzehnten verliebte sich unser REISEN MIT SINNEN-Gründer und Geschäftsführer Kai Pardon erstmalig in die Kapverdischen Inseln. Zu dieser Zeit besuchten kaum mehr als 100.000 Touristen jährlich die Inseln. Vor der Pandemie im Jahr 2019 waren es bereits knapp 820.000. Die Einnahmen aus dem Tourismus machten etwa 29 % des Bruttoinlandsprodukts aus. Etwa 75 % dieser Urlauber entschieden sich für Pauschalreisen auf den beiden Sand- und Badeinseln Sal und Boa Vista. Das erste All-Inclusive-Hotel auf der Insel Sal öffnete seine Pforten im Jahr 2005. Seitdem setzt die Regierung von Kap Verde auf diesen Inseln stark auf den Volumentourismus. Die Hauptstadt Praia auf der Insel Santiago zieht zusätzlich etwa 11,7 % der Urlauber an. Für die restlichen sechs bewohnten Inseln verbleiben insgesamt weniger als 14 % des Besucheraufkommens.
Die Konzentration des Tourismus‘ auf nur zwei der neun bewohnten Inseln stellt für das kleine Land ein enormes Problem dar. Tausende junge Kapverdier arbeiten in den Hotels und der Tourismusindustrie auf Sal und Boa Vista. Dabei verlassen sie ihre Heimatinseln, ihre Familien und Freunde, um dafür ein monatliches Gehalt von vielleicht 300 € zu erhalten. Ein Teil ihres Verdienstes wird in ihre Heimat geschickt, während der Rest in überteuerte und armselige Wohnquartiere fließt. Die Binnenmigration führt zu vielfältigen gesellschaftlichen Problemen und beeinflusst die Landschaft und die dörflichen Strukturen sowie deren Erhalt. Sogar im Wanderparadies und „Gemüsegarten“ Santo Antão verlassen immer mehr Menschen die Felder. Dadurch steigt das Durchschnittsalter in den Dörfern erheblich und die Arbeit bleibt liegen, bis hin zum vollständigen Verfall der Landwirtschaft.
Die Abhängigkeit vom Tourismus wurde im Sommer 2020 deutlich sichtbar. Aufgrund der weltweiten Lockdowns und Schließung der meisten All-Inclusive-Hotels verloren Zehntausende von Kapverdiern ihre Arbeitsplätze, da die Unternehmen hauptsächlich auf befristete Verträge setzen. Als Folge davon kehrten die Menschen ohne Einkommen und soziale Absicherung auf ihre Heimatinseln zurück.
Letztes Jahr haben Premierminister Ulisses Correia e Silva und das Tourismusministerium nach einer Analyse des aktuellen Zustands das Programm POT (Operational Tourisms Program) veröffentlicht. In diesem Programm sind die Entwicklungsziele bis 2026 bzw. 2030 definiert. Innerhalb der ersten vier Jahre streben sie an, die Zahl der Touristenankünfte auf 1,26 Millionen zu erhöhen, um den Anteil der Kapverdier, die unterhalb der Armutsgrenze leben (derzeit über 8 %), auf unter 6 % zu senken. Zur Gruppe derer, die unterhalb der Armutsgrenze leben, gehören per Definition Menschen, denen weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag zur Verfügung stehen.
Die Frage, ob der ländliche Tourismus genügend qualifizierte Arbeitsplätze für junge Kapverdier auf den abgelegeneren Inseln schaffen kann, bleibt unbeantwortet. Es gibt jedoch ein erhebliches Potenzial, insbesondere im Bereich des Qualitäts- und Ökotourismus‘, vor allem wenn auf regenerative Energien gesetzt wird. Der Ansatz könnte dazu beitragen, nachhaltige Arbeitsplätze und Entwicklungsmöglichkeiten auf den weniger besuchten Inseln zu schaffen. Durch die Förderungen von ländlichem Tourismus können die einzigartige Natur, die Kultur und das Erbe dieser Regionen hervorgehoben und geschützt werden. Es ist wichtig, dass bei der Umsetzung solcher Initiativen auch die Bedürfnisse und Perspektiven der lokalen Bevölkerung berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass der ländliche Tourismus eine nachhaltige Entwicklung und soziale Integration fördert.
Fazit:
Die Kapverden sind ein zwiespältiges Reiseziel, das mit seiner atemberaubenden Natur und der Lebensfreude der Bewohner beeindruckt, aber auch von einer starken Abhängigkeit vom Tourismus auf den Inseln Sal und Boa Vista geprägt ist. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie verletzlich die Kapverden sind, wenn Tausende Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren und ohne Einkommen auf ihre Heimatinseln zurückkehren. Es besteht ein Bedarf an einer nachhaltigen Entwicklung des Tourismus‘, die auch die anderen Inseln einbezieht und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung berücksichtigt.
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